Schwitters-Mix

Kurt Schwitters "Urwerk". Originalausgabe. Herausgegeben von Robert Galitz, Kurt Kreiler (Audioredaktion) und Klaus Gabbert (Beibuch). MP3-CD im Pappband mit einem 64-Seiten-Beibuch. Spielzeit ca. 246 Minuten. Nur 24,90 €. Nr. 230069

(nur bei Zweitausendeins erhältlich -> Link setzen)


Kurt Schwitters, einer der innovativsten Köpfe der Dada-Bewegung und selbsternannter Merz-Künstler, war ein Kombinationsgenie. Seine berühmten Collagen, entstanden aus Fundstücken ungewöhnlichster Provenienz.Text- und Bildfetzen aus Werbung und Zeitungen, lud er mit ungeahnter Bedeutung auf. Und mit derselben Unverfrorenheit, mit der er als Maler ausschnitt, nagelte und klebte, griff er als Dichter ein ins Wortmaterial, schuf Sprache um zu Musik und komponierte sinnlich-bizarre Sprechtexte. Am bekanntesten: "Anna Blume" und die "Ursonate". Während aber seine Merz-Bilder längst zum musealen Kanon gehören, blühen seine Merz-Dichtungen eher im Verborgenen. Gerade seine Gedichte eignen sich kaum zur stillen Lektüre. Gedruckt sind sie nur als Partituren und Buchstabenfolgen, die nach einer Inszenierung und auditiven Interpretation verlangen. Schwitters selbst war ein begnadeter Vortragskünstler, dem völlig klar war: "Besser als zu lesen ist, die Sonate zu hören." Unsere MP3-CD fängt erstmals umfassend das lange Echo von Schwitters' Lautpoesie ein, das bis in die Gegenwart reicht. Die Sammlung beginnt mit der Wiederentdeckung eines gesunkenen Artefakts: der frühesten von Schwitters' selbst gesprochenen Version der "Sonate mit Urlauten" von 1925. Sie fand sich in seinem Nachlass auf einer in zwei Teile zerbrochenen Schallplatte mit der Aufschrift "Probeaufnahme A1910". Offensichtlich war Schwitters mit der Qualität der Aufnahme unzufrieden: Schwitters' Stimme scheint sich am Anfang mehrfach zu überschlagen. Moderne Technik macht es möglich, nicht nur den Klang der zerbrochenen Schallplatte zu restaurieren, sondern auch die Sprechgeschwindigkeit auszutarieren. (Eine bislang als Originalversion gehandelte Fassung der Ursonate stammt dagegen nach eingehender Untersuchung von seinem Sohn Ernst.) An diesen "Urknall" der Lautpoesie schließen sich weitere Interpretationen der Ursonate an: eine Radioaufnahme mit Kurt Schwitters (1932), Versionen von Ernst Schwitters (1958), von Max Ernst (er zitiert sie 1964 in einer Rede), vom Lautpoeten Gerhard Rühm über den holländischen Soundpoeten Jaap Blonk (2003) bis hin zur Schauspielerin und Stimmkünstlerin Salome Kammer (2005). Dazu weitere Schwittersgedichte und -geschichten, aufgeführt und vorgetragen u.a. vom "Dadasophen" Raoul Hausmann, den Schauspielern Stefan Wigger und Otto Sander, den Vokalensembles Trio Exvoco und Die Schwindlinge.


Auf der Hörbuch-Bestenliste März 2008
„Hier ist nichts weniger als das hörbare Gesamtwerk des Lautmalers Kurt Schwitters auf einer MP3-CD versammelt. abermals haben die bekannten Editoren Galitz und Kreiler ein herausragendes Hörbuch vorgelegt, erweitert um ein schön gestaltetes und informatives Beibuch. Ein Festival für die Ohren und ein neuer Beweis für die Eigenständigkeit und Unentbehrlichkeit des Mediums Hörbuch“, so die Begründung der Jury.

„Wie immer bei Zweitausendeins bestens mit einem ausführlichen Booklet ausgestattet, wird neben Originalem auch der klandestine Einfluss von Schwitters akustisch dokumentiert.“
Journal Frankfurt, 12.12.2008

Spaß und Spiel und Staunen.
„Ein wahres Avantgardegewitter tobt auf dieser CD … Volle vier Stunden Blitz und Donner aus dem Laboratorium der Moderne … Erstaunlicherweise wirken die Texte so irritierend, befreiend und frisch wie am ersten Tag. Wer seine Ohren von der Denkleine lässt, wer sich der unschuldigen Sinnlichkeit des Unsinns und der Freiheit des Möglichen anvertraut, der darf hier wie ein Kind die Sprache als Spielzeug neu entdecken - und dann ist nur noch Spaß und Spiel und Staunen … Den Reichtum seiner Partituren zeigt dieses herrliche Album vor allem mit den verschiedenen Ursonaten, vorgetragen durch so illustre Solisten wie Raoul Hausmann, Max Ernst und natürlich Schwitters selbst.“
Wilhelm Trapp, Die Zeit, 19.3.2008

„Eine überaus sorgfältige Edition und ein großer Hörspaß!“
Bayerischer Rundfunk, 11.3.2008

„Allein die Vielfalt der 20 Stimmen offenbart die ungeheuren interpretatorischen Möglichkeiten von Schwitters‘ literarischem Werk.“
Hessische Allgemeine, 3.3.2008

Bis heute regen seine Texte an und setzen Fantasie frei.
„Mancher Slam-Poet, Rapper oder sonstige Performance-Künstler von heute hätte Grund, diesen modernen Klassiker wegen seiner Wirkung zu beneiden. Wenn der hoch aufgeschossene Schwitters in bürgerlichem Anzug vor das arglose Publikum trat und mit heiligem Ernst sein Liebesgedicht An Anna Blume vortrug oder seine Sonate in Urlauten, erntete er fassungsloses Staunen, Kopfschütteln, auch hilfloses und dann befreit klingendes Gelächter. Und doch wüssten wir nicht genug von seiner Vortragskunst, hätte er ein paar seiner Texte nicht auch auf Platte festhalten lassen …

Auch kriminalistischen Spürsinn haben die Herausgeber walten lassen und durch Frequenzanalyse herausgefunden, dass eine in den neunziger Jahren als Sensationsfund präsentierte komplette Fassung der Ursonate nicht von Kurt Schwitters selbst gesprochen ist, sondern von Sohn Ernst und dann per Technik auf alt getrimmt wurde.
Dieses aus 73 Takes bestehende Hörwerk vermittelt einen vorzüglichen Eindruck von den Spracheskapaden des Kurt Schwitters - wie er ein Gedicht aus einem einzigen Wort drechselte, immer wieder die Sinneinheiten sprengte, Silben durcheinanderwirbelte und zu hochmusikalischen Resultaten neu zusammensetzte. Interpreten späterer Jahrzehnte hatten ihre Freude daran …
Auch Beispiele für experimentelle Prosa und kleine absurde Dialog-Szenen von Schwitters sind in diese Sammel-CD mitaufgenommen. Nur weniges verweist auf den eher konventionellen Humoristen - denn auch das war er in einigen Prosaarbeiten. So wie er nicht nur Bilder klebte und nagelte, sondern in seinen Anfängen und während des Exils auch gegenständlich zu malen verstand: vor allem Porträts und Landschaften. Aber das Gros der Texte gehört doch der Avantgarde an, und gerade die Ursonate fand immer wieder Interpreten, deren stilistisches Spektrum von streng analytischem Vortrag über den hochartifiziell-musikalischen Auftritt bis zum übersteigerten Gag-Gestus reichte. Reich an Facetten ist diese Kollektion - und Kuriositäten finden sich auch: So hat ein Künstler auf jener Fjordinsel, auf der Schwitters einen Teil seines Exils verbrachte, vor ein paar Jahren die Stare aufgenommen - ob durch ihren Gesang an diesem Ort wohl die Ursonate überliefert würde, wollte er wissen. Ein deutscher Verlag meldete sich prompt mit Vorbehalten in punkto Urheberrecht. Wenn das Schwitters noch erlebt hätte!
Seine Sprachspiele sind nicht in diesem Umfang bekannt wie die bildnerischen Werke. Aber man muss ihn eben auch hören. Nach nur einem Teil der vier Stunden Hörzeit beginnen Wörter, Silben und Laute im eigenen Kopf zu tanzen. Und das ist nicht wenig. Bis heute regen seine Texte an und setzen Fantasie frei.“
Volkhard App, SWR 2, 3.3.2008

Große Stimm- und Rezitationskunst.
„Kurt Schwitters aus Hannover ließ sich von Raoul Hausmanns Plakatgedicht zu einer Sonate in Urlauten anregen, die diesen Urknall als unausgeschöpftes
Verbalklang-Kunstwerk überlebt hat und heute als große Herausforderung an
Rezitationskunst ihr Dadadasein fristet. Schwitters selbst hat seine Sonate und anderen Unsinn nicht selten auf Soireen rezitiert und war dabei stets auf unkonventionelle Reaktionen aus dem Publikum gefasst. Wie ernst er sein Werk genommen hat, ist nicht ganz klar, klar ist nur, dass er wenig gegen Belustigung und viel gegen Pathos und gegen Ernstgemeintes hatte.
Äußerst unklar ist aber vor allem, warum er seinen Sohn Ernst nannte. Und Ernst Schwitters hat etwas Merkwürdiges getan: Er hat viele Jahre lang mit nachhaltigem Erfolg eine eigene Aufnahme der ‚Sonate in Urlauten‘ als Originalaufnahme seines Vaters ausgegeben - die Beweise , die im Begleitbüchlein von ‚Kurt Schwitters, Urwerk‘ vorgelegt werden, sind schlagend. Immerhin kann die CD mit mehreren Rezitationen vom echten Original-Schwitters aufwarten - übermütig-ausdrucksvolle, leichtfüßige Interpretationen mit Urlauten und Anna Blume …

Die CD hat noch andere Schätze parat. Außer den Aufnahmen, die Ernst Schwitters hinterlassen hat, gibt es äußerst kunstvolle Ursonaten-Interpretationen von der Vokalistin Salome Kammer und dem Stimmartisten Jaap Blonk. Beide erheben den sinnlos anmutigen alten Text in eine Kunsthöhe, von der man gar nicht recht weiß, ob sie angemessen ist, die aber einen Riesenspaß bereitet und darum wohl in Ordnung geht.
Überhaupt gibt es viel große Stimm- und Rezitationskunst auf der CD. Otto Sander widmet sich Franz Müllers Drahtfrühling, einem Abschnitt aus der epischen Geschichte von der glorreichen Revolution in Revon, und falls jemand nicht weiß, dass Revon die Abkürzung von Revonnah ist, also Hannover rückwärts gelesen, dann sei das hiermit gesagt. Neben all dem von Nachgeborenen herrlich rezitierten Text-Sondermüll aus dem 20. Jahrhundert und Originalen beider Schwitters gibt es auf der CD auch drei Minuten und 44 Sekunden, in denen Dadasoph Raoul Hausmann eigene historische Lautgedichte rezitiert. Man hört danach den bedauernswerten Ernst Schwitters mit anderen Ohren."
Hans-Jürgen Linke, Frankfurter Rundschau, 27.2.2008

Gesprochen, geschrien und geflüstert.
„Die Dadaisten waren auf ihre kühne und unbekümmerte Art in fast allen Künsten aktiv: als Dichter, als Maler, mit ihrer Lautpoesie gewissermaßen auch als Musiker. Die Bilder und Collagen von Kurt Schwitters hängen heute in internationalen Museen, und seine lautmalerische Ursonate, die er zwischen 1922 und 1932 schrieb, gilt längst als Prototyp aller von Sinn und Inhalt befreiten ‚konkreten Poesie‘, ob sie nun von den Autoren der Wiener Gruppe oder von Ernst Jandl (‚schtzgrmm‘) stammt. Gemeinsam ist all diesen entfesselten lyrischen Sprachexperimenten, dass dass sie besser gehört als gelesen werden: Die gedruckten Texte sind wie Partituren, die erst im mündlichen Vortrag zur Geltung kommen. Nur folgerichtig ist es also, wenn ein Hörbuch die zeitgenössischen und späteren Tondokumente zusammenträgt, die Gedichte und Texte von Schwitters zu Gehör bringt: gesprochen, geschrien und geflüstert vom Autor selbst, von dessen Sohn Ernst oder Interpreten wie Gerhard Rühm, Jaap Blonk und der Gruppe Die Schwindlinge.“
Der Spiegel, 18.1.2008

Üppige Sammlung, schön aufgemacht.
„Kunst oder Kauderwelsch? Vier Stunden des herrlichsten Lautchaos drängen sich auf einer prall gefüllten CD, die der Frankfurter Verlag Zweitausendeins dem poetischen Œuvre des hannoverschen Universalkünstlers Kurt Schwitters widmet. Komprimiert auf das platzsparende MP3-Format, passen 73 verschiedene Stücke auf den Tonträger, darunter die wenigen Originaltöne von Kurt Schwitters.

Das Schwergewicht der üppigen Sammlung liegt auf der wohl berühmtesten Lautkomposition des hannoverschen Merzkünstlers: der 1923 niedergeschriebenen und bis 1932 mehrfach überarbeiteten Ursonate oder, wie Schwitters das in Anlehnung an die klassische Sonatenform gebaute Sprechstück selbst bezeichnete, der „Sonate in Urlauten“.

Für die Zweitausendeins-Edition haben die Herausgeber, der Verleger Robert Galitz und der Autor Kurt Kreiler, mit kundiger Hand die wichtigsten Ursonaten-Interpretationen aus rund acht Jahrzehnten zusammengestellt. Das Glanzstück der Kollektion ist die älteste noch erhaltene Originalaufnahme von Kurt Schwitters: ein dreiminütiges Ursonaten-Potpourri aus dem Jahr 1925, das im von der hannoverschen Kurt-und-Erst-Schwitters-Stiftung verwalteten Nachlass des Künstlers wiederentdeckt und jetzt erstmals veröffentlicht wurde …

Zu Hörvergleichen laden auch rund ein Dutzend – teils beabsichtigt, teils unfreiwillig – komischer Ursonaten-Interpretationen jüngeren Datums ein. Die Münchener Musikerin und Schauspielerin Salome Kammer (2005) etwa erstickt die Ursonate in hysterisch gurgelndem Pathos. Der Schriftsteller Gerhard Rühm (1974) bleibt dagegen betont sachlich, deklamatorisch präzise und hält das Modulationsspektrum seiner Stimme um einiges schmaler. Zwischen diesen Polen ist die durch ihre Zungenfertigkeit und feinnervige Musikalität begeisternde Lesart des niederländischen Soundpoeten Jaap Blonk (2003) anzusiedeln – ihm gelang die wohl überzeugendste Einspielung nach Schwitters.

Begeistern kann auch die schöne Aufmachung der Zweitausendeins-Edition: Die CD kommt in einem schmucken Schuber nebst einem Buch voller kluger Essays zur Ursonate und ihrem Schöpfer daher.“
Daniel Behrendt, Hannoversche Allgemeine / Oberhessische Presse, 14.2.20